Yehudyia – das versteckte Paradies – Teil 1: Zavitan

Der Weg ist in diese Richtung eher ein steiniger Wanderpfad – ob es an der Jahreszeit liegt oder immer so ist, kann ich nicht sagen, aber man braucht gutes Schuhwerk.

„Endlich ist es soweit – heute wird mich keiner abhalten!“, denke ich, als ich zum dritten Mal innerhalb von 1,5 Wochen auf den Parkplatz des Yehudyia Nature Reserves einbiege. Mit seinen 134 Quadratkilometern ist es das größte Nature Reserve im Golan und bietet verschiedene Wander- und Kletterrouten mit genialer Natur und verschiedenen Attraktionen. Zwei Mal schon habe ich es versucht und zwei Mal wurde ich weggeschickt, weil das verregnete Winterwetter mir einen Strich durch die Rechnung machte. Doch nun scheint schon seit einigen Tagen wieder kräftig die Sonne, ein angenehmer Wind weht und hat die Landschaft wieder einigermaßen trocknen lassen. Voller Vorfreude steige ich aus, bepacke mich mit Rucksack und Kamera und laufe die große Steintreppe zum Besucherzentrum hinauf. Die Mitarbeiterin, die mir zwei Mal geraten hat, lieber zu einem anderen Zeitpunkt wiederzukommen, erkennt mich sofort: „You´re back!“, ruft sie. Ich bin etwas besorgt, ob sie mir wieder abraten wird, und erzähle ihr deshalb etwas bestimmter von meinem Plan, heute endlich das Reserve erkunden zu wollen. Und tatsächlich eröffnet sie mir, dass der Hauptwanderweg immer noch gesperrt ist. Als sie meine Enttäuschung sieht, zeichnet sie mir auf der Karte jedoch drei verschiedene Wege ein, die ich stattdessen versuchen soll, damit ich so viel wie möglich sehen kann. Bewaffnet mit meinem obligatorischen Cappuccino ziehe ich kurz danach los und fahre aufgeregt zum nächsten Parkplatz, um meine erste Wanderung zu beginnen.

Es sind viele Ruinen von dem einstigen syrischen Dorf übrig und mir wird etwas mulmig – Kriege sind nicht nur Politik und Geschichte, sondern Schicksale.

Die erste Strecke soll mich zum kleinen Zavitan-Wasserfall führen. Bald merke ich, dass dieser Park wesentlich rauer und größer ist als die meisten anderen, die ich bisher besucht habe. Die Strecke, die mich zum Wasserfall bringen soll, sieht auf der Karte viel kürzer aus, doch zieht sie sich lang hin (kleiner Tipp an mich selbst: Man kann vorher die Verhältnisse auf der Karte checken ;-)). Und so laufe ich über den mit Vulkansteinen übersäten Weg vorbei an den Ruinen eines alten syrischen Dorfes: Sheikh Hussein ist seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 verlassen.

Die Kühe sind sehr zufrieden und schauen mich neugierig an, als ich vorbeigehe…

Heute weiden hier gemütlich Kühe und wunderschöne Pferde einer kleinen Ranch, die am Parkplatz ist. Bald stoße ich auf einen kleinen Wasserstrom, der den Weg überflutet. Noch immer scheinen sich also die Wasser der Regenzeit ihre eigenen Wege vom hohen Golan hinab zu suchen. Ich klettere über die Steine am Rand und wenige Minuten später komme ich an den Zavitan-Stream, der sich durch die tiefe Schlucht seines Wadi schlängelt.

… doch angetan haben es mir definitiv die Pferde :-)

Ein Wegweiser zeigt mir jetzt meine Optionen an: Ich kann nach links die Wanderung zum 6km entfernten Meshushim-Pool antreten, die gerade laut der Mitarbeiterin nicht möglich ist; nach unten in die Schlucht und nach rechts führen mich je die Wege zum Zavitan-Wasserfall. Ich will beide ausprobieren :-) Also beginne ich zuerst meinen Abstieg in die Schlucht.

Der Pfad ist kurz, aber knackig.

Der Kletterweg ist beeindruckend: Steil ist er und auch für mich als recht fitte Person etwas herausfordernd – in Deutschland mache ich solche Touren nicht so oft ;-) Mein Pfad führt, vorbei an zarten Bergblumen, mich hinab in das Flussbett, wo der Zavitan entlang läuft.

Der Zavitan ist klein, aber Wassermassen sind in Regenzeiten nicht zu unterschätzen.

Als ich unten im Flussbett ankomme, plätschert der Zavitan gemütlich, aber stark an mir vorbei. Was für ein Anblick! Ich war noch nie in einem Wadi. Beeindruckt schaue ich an den steilen Felswänden hinauf, folge mit meinem Blick dem Fluss Richtung See und versuche dann, um die Ecke zu lugen, wo mein Weg weitergehen würde.

Rings um mich sind steile Felswände – wunderschön, beeindruckend, einschüchternd für mich, die ich noch nie in einem Wadi war.

Der Zavitan ist kleiner als der Yehudyia, aber hat seinen eigenen Charme.

Obwohl ich den Moment genieße, entscheide ich mich dennoch, wegen der Wassermengen der letzten Tage, die immer noch aus dem hohen Golan Richtung See hinabfließen, heute nicht durch das Flussbett zum Wasserfall zu laufen. Also klettere ich wieder hinauf und folge dem anderen Weg, der mich schnell zum Aussichtspunkt über dem Wasserfall bringt. Ich lehne mich an das Geländer und genieße den Moment, den ich hier allein als einzige Wanderin heute erleben darf: die Weite, die frische Luft, die Geräusche der Tiere, der leichte Wind und das kräftige Plätschern des Wassers, das in die Tiefe stürzt.

Unten bilden sich kleine Becken, in denen sich das Wasser sammelt und der Besucher baden kann, bevor der Zavitan als Fluss hinab zum Kinneret fließt.

Verhältnismäßig klein ist der Zavitan-Wasserfall, aber das Schauspiel ist faszinierend schön, und ich versinke einen Moment im Klang des rauschenenden Wassers und dem Ausblick über die ansteigenden Berge der Golanhöhen bis hinab bis zum Kinneret. Aber es zieht mich dennoch zurück Richtung Auto, denn es warten zwei weitere Ziele auf mich: der Yehudyia-Wasserfall und das antike Dorf, das denselben Namen trägt.

Der Wadi des Zavitan ist auch von oben ein genialer Anblick: Man kann ihm mit den Augen folgen und kommt unten beim See an!

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