Totale Dankbarkeit

Seit meiner Bekehrung vor 10 Jahren war ich noch vier weitere Male in Israel und jedes Mal wieder an den Orten, an denen mein neues Leben begonnen hatte. Aber irgendetwas ist dieses Mal anders. Obwohl ich wegen der Pandemie nun dreieinhalb Jahre nicht hier war, ist nicht mehr diese freudige Aufregung da, die ich sonst empfunden habe – sondern einfach nur eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass ich jetzt hier sein darf. Vielleicht liegt es auch an der Pandemie und meiner eigenen Covid-Erkrankung – ich bin dankbar für jeden Windhauch, der mir hier in Jerusalem durch das Haar weht, für jeden Atemzug, den ich hier tun darf, für jeden Eindruck, alles Neue und Altbekannte, jeden leckeren Bissen, jeden noch so schlechten Kaffee und jeden Schluck Wasser… und jeden Moment, den ich an diesen Orten verbringen darf, an denen Gott Weltgeschichte geschrieben hat – und meine eigene.

Innerhalb weniger Tage habe ich so viel erlebt und so viele neue Menschen kennen gelernt, wie sonst gefühlt in einem Monat. Aber drei Orte stachen für mich besonders heraus.

Als ich vorgestern endlich wieder an der Klagemauer bin, ist das wie jedes Mal einer der besondersten Augenblicke für mich. Ich kann die Emotionen kaum beschreiben. An diesem Ort liegt eine mit menschlichen Worten nicht zu erklärende Spannung in der Luft. Ich meine aber nicht die Spannung zwischen den Religionen, die uns in den deutschen Medien immer präsentiert wird, sondern eine geistliche Spannung. Wieder stehe ich vor der Kotel und kann einfach nur staunen, dass ich tatsächlich an dem Ort bin, von dem Gott schon durch Mose angekündigt hat, dass er ihn erwählen wird. Dies ist der Ort, an dem Gott Seinen Tempel haben wollte – nirgendwo sonst auf der Welt, sondern genau hier, auf diesem kleinen, aber von Gott so geliebten Berg. Hier stand der erste Tempel, der Ort, an dem endlich Begegnung mit Gott und Sühne möglich waren – die Erfüllung eines Versprechens Gottes, begründet auf Liebe. Aber hier fanden auch die größten Tragödien der jüdischen Geschichte statt, als zuerst die Babylonier 586 v.Chr. die Heilige Stadt niederbrannten und den ersten Tempel zerstörten und die Römer es ihnen 70 n.Chr. nachmachten und der zweite Tempel in Flammen aufging. Als ich zwischen all den jüdischen Frauen und berührten Christinnen stehe und die dicken Sandsteine berühre, kommen auch mir die Tränen, denn es fühlt sich an, als wäre ich angekommen. Als dürfte ich einen Vorgeschmack auf den Tag bekommen, an dem Jesus genau hier eines Tages wiederkommt, das himmlische Jerusalem kommt und wir ein Volk sein werden im Reich unseres einen Gottes.

Denn Jahwe hat den Berg Zion erwählt, / hat ihn zu seinem Wohnsitz bestimmt: „Hier soll für immer mein Ruheplatz sein, / hier will ich wohnen, hier wollte ich sein! Ich werde ihn reichlich versorgen, / auch seine Armen mache ich satt. Deine Priester will ich in Gerechtigkeit kleiden, / und die dir treu sind, sollen sich freuen! Dort lasse ich Davids Macht wachsen, / dort stelle ich eine Leuchte für meinen Gesalbten auf. Seine Feinde will ich mit Schande bedecken, / doch auf ihm wird seine Krone erstrahlen.“ (Psalm 132, 13-18, NEÜ)

Hier stehen Geschichte, Gegenwart und Verheißung Hand in Hand nebeneinander.

Am selben Tag führte mich mein Weg noch in der Garten Gethsemani. Dieser Ort hat eine tiefe Bedeutung und das aus so vielen Gründen, dass ich sie hier gar nicht alle aufzählen kann. Zuerst einmal liegt er am Hang des Ölbergs – wenn Du Dich für die Bedeutung des Ölbergs etwas interessierst, kannst Du gerne meine Predigt zum letzten Palmsonntag anhören, die Du HIER findest. Zum Zweiten hat er eine riesige Bedeutung für uns Christen, weil Jesus hier mit dem, was vor ihm lag, gerungen hat. Der Garten ist mit seinen alten Olivenbäumen ein Ort der Ruhe, der Besinnlichkeit und des Friedens, an dem man Jesus auf eine ganz tiefe Weise begegnen kann. Weil wir wie sonst fast nirgendwo mit seinem Opfer, das er für uns gebracht hat, und allen erbarmungslosen, brutalen und geistlichen Konsequenzen für ihn konfrontiert werden. Und unser Messias zeigt uns, dass Schwäche, Zweifel und Angst manchmal in Ordnung sind – und uns letztlich in eine engere Beziehung mit Gott führen, wenn wir merken, dass Er unser einziger Fels ist und dass Er weitersieht als wir. Aber für mich hat dieser Ort noch eine ganz andere Bedeutung. Denn genau hier ist mir Gott vor genau zehn Jahren begegnet. Als ich in die „Kirche für alle Nationen“, die hier im Garten steht, eintrat, fühlte ich die Gegenwart Gottes so stark wie nie zuvor und es war, als hätte mein Leben lang ein Vorhang vor meinen Augen meine Sicht vernebelt – Gott zog diesen beiseite und ich wurde mit Glauben erfüllt. Aber nicht Glauben, wie wir ihn seit der Aufklärung verstehen – sondern ich wusste, dass es Gott gibt und dass Jesus der Christus ist. All das ist seitdem so viel realer als alles, was ich sehen und anfassen könnte. Am selben Tag entschied ich mich, Theologie zu studieren, weil ich keinen einzigen Tag mehr ohne Gott leben, weil ich so viel wie möglich von Ihm lernen und Sein Wort weitergeben wollte.

Auch ihr wart früher tot aufgrund eurer Sünden. Ihr habt genauso in der Sünde gelebt wie der Rest der Welt, beherrscht vom Satan, der im Machtbereich der Luft regiert. Doch Gott ist so barmherzig und liebte uns so sehr, 5 dass er uns, die wir durch unsere Sünden tot waren, mit Christus neues Leben schenkte, als er ihn von den Toten auferweckte. Nur durch die Gnade Gottes seid ihr gerettet worden! (Epheser 2, 1.4)

Es ist nicht ganz gesichert, ob die Ölbäume, die hier im Garten stehen, tatsächlich aus der Zeit Jesu stammen. Viele sagen, sie seien erst im 12. Jahrhundert gepflanzt worden, aber Belege gibt es für beide Vermutungen keine.

Die katholische „Kirche aller Nationen“ steht im Garten Gethsamen. Der Hauptanlaufpunkt ist die Todesangstbasilika, deren Zentrum der Felsen ist, auf dem Jesus zu Gott, die Vater, gefleht haben soll, dass der Kelch an ihm vorübergehe.

Vom Garten aus kann man auch auf das Goldene Tor schauen, das Sultan Suleiman verschlossen haben soll, weil er die Erwartung des jüdischen Messias habe unterbinden wollen, der laut dem Propheten Sacharja vom Ölberg kommen würde. Andere sagen, Suleiman habe politische oder architektonische Gründe gehabt.

Heute früh war ich am Schabbat-Morgen dann an meinem nächstliebsten Ort und auch dieser spielt in meiner Geschichte eine besondere Rolle: das Gartengrab. Im 19. Jahrhundert wurde nahe dem Damaskustor eine Wand entdeckt, die in sich die Abbildung eines Schädels zu tragen schien. Bald darauf fand man in nächster Nähe nicht nur eine antiker Gartenanlage mit Weinpresse und Zisterne, sondern auch ein antikes Höhlengrab. Einige brachten nun die These vor, dass Golgotha und Grab nicht in der Grabeskirche in dem heutigen Gebiet der Altstadt seien, sondern genau hier. Zu Geschichte und Für und Wider werde ich noch einen Beitrag schreiben. Das „Gartengrab“ ist mittlerweile die vielleicht schönste christliche Anlage in ganz Jerusalem. Der Garten wird liebevoll gepflegt, überall sind Sitzgelegenheiten für Gruppen und Individuen, die Luft ist oft erfüllt von Gottesdiensten und Musik, überall sitzen Leute, die beten und einfach zur Ruhe kommen können. Zwischen den Pflanzen stehen immer wieder wunderschöne Schilder mit Worten Jesu. Man kann in Ruhe sitzen und auf die „Schädelstätte“ schauen oder am Grab verweilen. Unter der Führung meines Vaters, der damals schon zahlreiche Male in Israel gewesen war, ging unsere Reisegruppe vor zehn Jahren nach dem Garten Gethsemani noch zusammen hierhin. Als ich auf das mögliche Golgotha schaute, hatte ich das erste Mal einen lebendigen Eindruck in meinem Geist von dem, was Jesus am Kreuz getan hat. Am Grab begann die Freude der Auferstehung in mir aufzusteigen. Und zusammen mit christlichen Freunden aus der Reisegruppe und meinem Vater feierte ich hier mein erstes Abendmahl als Nachfolgerin Jesu. Anschließend gingen mein Vater und ich zu einem christlichen Ladenbesitzer im Basar und er schenkte mir einen Ring, der den Namen „Yeshua“ trägt, ein Symbol für meinen unverbrüchlichen Bund mit Gott.

„Ich weiß, ihr sucht Jesus, der gekreuzigt wurde. 6 Er ist nicht hier! Er ist von den Toten auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht…“ (Mt 28,5-6)

Als ich das erste Mal vor 10 Jahren auf die „Schädelwand“ schaute, verstand ich das erste Mal, wofür Jesus eigentlich gekommen ist und was er vollbracht hat – für mich.

Der Garten ist wunderschön angelegt, sodass er für den Besucher wie eine Oase ist. Zwischen den Pflanzen stehen immer wieder Schilder mit Sprüchen von Jesus.

Überall gibt es solche Nischen, in denen sich Gruppen oder Einzelpersonen zurückziehen können, um zu beten oder Abendmahl zu feiern.

Das Grab ist weit offen und verkündet damit stets die Botschaft, dass Jesus auferstanden ist.

Warum schreibe ich Dir von diesen drei Orten? Zum einen glaube ich fest, dass es segenbringend ist, an die Orte zurückzukehren, die für uns und unsere Beziehung mit Gott prägend waren. In der Hektik des Lebens kann auch die Lebendigkeit unserer Beziehung mit Gott leiden. Aber an diesen besonderen Orten kann das Staunen wieder hochkommen. Hast Du auch einen Ort? Oder ist es bei Dir ein Lied, ein Bibelvers, ein Bild oder ein Mensch, durch den Gott in Dein Leben gesprochen hat?

Zum Zweiten bin ich der festen Überzeugung, dass nichts einen Besuch in Israel ersetzen kann. All diese Orte mit eigenen Augen zu setzen, auf den Steinen zu laufen, auf denen Jesus lief, in den Überresten der Stadt zu laufen, die David selbst gestaltete, die Klagemauer zu berühren, die für das erwählte Volk Gottes so bedeutsam ist, und so vieles mehr – kein Buch, kein Bild, kein Reiseblog kann das ersetzen. Ich möchte Dich also ermutigen, darüber nachzudenken, und wenn Du Fragen hast, melde Dich gerne – ich versuche gerne weiterzuhelfen!

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